Vampyr


Wie ist es mit einer Sucht zu leben?

Einem alles beherrschendes Verlangen, welches sich nicht darum schert was wir wollen oder uns wünschen.

Für jeden der noch nie mit unkontrollierbarem Verlangen zu tun hatte, ist die Vorstellung irgend jemand MUSS etwas tun abstrakt.

Es ist scheint ja unglaublich einfach, nicht zu Rauchen, auf ein Lebensmittel zu verzichten oder keinen Alkohol zu sich zu nehmen.

Doch jeder der einer Sucht unterliegt, der kennt diesen Drang der zwingend befriedigt werden muss.

Es ist für jeden ohne Sucht unverständlich und es ist auch unmöglich dies für sie verständlich zu machen.

Doch das Game Vampyr versuchte genau diesen Drang Visuell dar zu stellen.


Gleich am Anfang, nach dem Erwachen in einem Massengrab, schlüpfen wir in die Rollen von Jonathan Reid, einem Brillanten Chirurgen, Experten für Bluttransfusionen und Ironischerweise auch neu geborenen Vampir.

Ohne wissen um sich selbst oder die Welt um ihn herum stolpert er schwach und durstig durch die Nacht.

Er sieht kaum etwas, alles is verwaschen und Grau.

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Er hört kaum etwas, nur das entfernte Rauschen von Blut.

Köstlichen Blut welches in den Adern der Person nur knapp vor ihm Pulsiert.

Er stolpert auf sein Ziel zu, ein Crescendo der Lautstärke erfüllt seine Wahrnehmung.

Halb tot (oder eher Untot) stolpert er in die Arme seines zukünftiges Opfers.

Es spricht, doch Jonathan versteht ihre Worte nicht.

Für ihn gibt es nur das Süße Rot in ihrem Körper.

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Dann endlich ist es soweit.

Nur ein Biss und die Farbe kehrt zurück.

Nur ein Biss und der Presslufthammer in seinem Kopf verstummt.

Nur ein Biss und er erkennt was er getan hat.

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Jetzt wieder bei sinnen erkennt er sein Opfer, seine eigene Schwester.

Diese Szene alleine ist schon Grund genug Vampyr mal an zu spielen, da sie Sucht im allgemeinen perfekt Visuell darstellt und für uns begrenzt nachvollziehbar macht.

Leider bleibt es auch so ziemlich bei diese einen Szene wenn es um die Qualität der Darstellung geht.


Nichtsdestotrotz ist Vampyr ein typisches „Focus Home Interactive“ Game.

Es ist gut und wagt sich in ein Szenario welches bisher in dieser Form noch nicht erkundet wurde, doch wie jedes Game von „Focus Home“ schafft es leider den Absprung nicht und erreicht nie sein wahres Potenzial.

Entwickelt wurde es von den Schöpfern von Life is Strange, Dotnod.

Anfangs lies diese Information meine Hoffnungen (und im Zuge dessen auch der Hype) in die Höhe steigen, doch dann erinnerte ich mich an ein anderes Action Game von Dotnod.

Remember Me.

Auch da war ich gehyped doch war das Game leider nur magerer durchschnitt und lies im Bereich des Gameplay stark zu wünschen übrig.

So auch leider dieses mal bei Vampyr.


Das Setting ist großartig und unglaublich atmosphärisch und auch Grafisch absolut auf den Punkt, wenn auch nicht gerade bahnbrechend und häufiger verbuggt.

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Dennoch gelang es ihnen hier sehr gut das Gefühl eines London um 1870 einzufangen.

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Was ihnen aber leider absolut nicht gelang ist Dr. Reids Beruf.

Die Idee ist genial ein Arzt der zeitgleich ein Vampir ist, ständig im Kampf mit seinen Idealen als Mediziner und seinem Verlangen nach Blut.

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Doch leider wussten die Devs wohl nicht was ein Chirurg eigentlich so macht, weshalb Dr. Reid sein Medizinisches Fachwissen nutzt um mit Schwertern, Sägen, Pistolen und Schrotflinten durch unzählige Vampire, Skals und Vampirjäger zu schnetzeln.

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Es wird sogar von einem NPC, ebenfalls ein Arzt, bemängelt das er als Chirurg erschreckend selten im OP ist.

Auch der Drang nach Blut fehlt mir hier ein wenig.

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Zwar wurde hier sehr viel Sorgfalt bewiesen und ein ganzes System um Vertrauen und Blutqualität geschaffen, doch fehlt da ziemlich die Konsequenz.

Mit nur wenigen Ausnahmen lassen sich alle NPC durch das stumpfe abarbeiten der Dialog Optionen auf maximale Qualität bringen und sollten wir mal eine Falsche Option wählen, so verlieren wir nur ein paar XP falls wir diese Bürger mal aussagen sollten.

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Vampyr wirbt mit den Konsequenzen des Aussaugens bzw des Nüchtern bleiben.

Angeblich wird das Spiel schwerer wenn man nicht trinkt, doch fühlt sich das in meinen Augen nicht so an.

Ja man wird mächtiger und hat mehr Skills um den Feinden den Gar aus zu machen, doch sind viele Skills einfach nur Gimiks ohne die man genau das selbe ziel erreicht.

So habe ich z.B. kein einziges mal den Skill der Blutbarriere genutzt, da sie einfach keine Verwendung in meinem Spielstil hatte.

Doch auch mit den Aktiven Skills ist es nicht besser.

Wir können einen schnellen Nahkampf Angriff dank unseren „Klauen“ ausführen, den Feinden Speere aus Blut entgegen schleudern oder aber sie von den Schatten fesseln lassen.

Ein paar wirklich nette Skills, doch wird von dieser Variation im Gameplay kaum etwas erfordert, da es oft eine reine Blut Verschwendung ist diese im Kampf zu nutzen.

Was die Schwierigkeit angeht, so fand ich es besonders anfangs sehr fordernd, da die Waffen schwach sind und Munition kaum vorhanden ist, doch später wird bis auf einige wenige Gegnertypen alles mit maximal 3 Schlägen vom Schlachtfeld entfernt.


Die Aussage „es würde schwerer werden wenn man nicht trinkt stimmt“ nur zum Teil.

Ja besonders Anfangs gewinnt man Rapide an Macht, doch je mehr man Trinkt, desto instabiler werden die Bezirke und sollten diese mal in Chaos fallen, so Tauchen da auch plötzlich mehr und vor allem stärkere Feinde auf.

Weshalb man durch das trinken im Endgame eher seine Feinde stärkt als sich selbst.

Einzig bei den Bossen macht sich die eigene Schwäche bemerkbar und muss durch besseres Ausweichen und längere Kämpfe kompensiert werden.


Moralisch ist das Trinken sowieso fraglich, da wir hier Mörder am leben lassen müssen um „der Gute“ zu sein.

Das Töten eines NPCs mit Namen ist immer falsch, egal wie schlimm dieser Mensch auch ist und wie viel Leid er seinen Mitmenschen zufügt.

-Mini Spoiler einer Sidequest-

Nirgends musste ich mir so auf die Zunge Beißen wie bei Venus, da diese bereitwillig ihren Ehemann vergiftete nur weil er ihr Peinlich ist und sein Geld für die suche nach Vampiren ausgibt. Was diesen Akt noch schlimmer macht ist die Tatsache das diese Mann, der beste Freund von Jonathan ist und wir ihm sogar bei seiner suche noch Helfen. Selbst nachdem wir ihm über die Geheimnisse seiner Frau aufklären bleibt er Treu und Devot und lässt sich lieber weiter vergiften als sich von seiner Frau zu trennen.

Schade das wir als „Good Guy“ hier nicht das leben eines Unschuldigen retten können.

PS. Tot der Familie Cox! …. Warum das Töten eines Gangleaders der alles und jeden unterdrückt und Mordend durch die Stadt zieht eine Moralisch verwerfliche Entscheidung ist entzieht sich mir …

Spoiler ende.


Im Bereich der NPCs Variiert die Qualität auch sehr stark.

Wir haben bedeutungslose Charaktere dessen dramatischen Hintergrund wir enthüllen können und sie so zu glaubhaften und nachvollziehbaren Figuren machen, aber wir haben auch die Typischen „Ich bin nur da um diesen Raum zu füllen“ NPCs die absolut keinen Hintergrund mitbringen und auch sonst keine Bedeutung haben.

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Da hätte ich mir wirklich deutlich mehr erhofft.


Deutlich mehr hätte ich mir auch vom Crafting erhofft, da dieses sogar noch langweiliger als in „South Park- The Fractured But Hole“ ist und zwar lieb gemeint ist aber dem Game wirklich keinen Gefallen tut.

Wir craften hier nämlich Upgrades für unsere Waffen, Bufftränke in Form von Sera und Medizin um unser Pflicht als Arzt nach zu kommen.

Besonders das letztere empfand ich als sehr fraglich, da ich selbst keine Medizin von einem Fremden denn ich noch nie zuvor gesehen habe annehmen würde nur weil dieser angeblich ein Doktor ist. Besonders nicht wenn diese jemand mir diese Aufzwingen ohne mich vorher zu untersuchen und eine Blutige Axt in der Hand hat….

Aber evtl. waren die Leute um 1870 ja Vertrauens würdiger und es war da normal mit blutigen Händen Nachts Tabletten zu verteilen.

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Grob zusammen gefasst war Vampyr für mich ein Game von einigen Höhen und vielen Tiefen.

Spaß hat es mir keins gemacht, doch konnte ich das Setting sehr genießen.

Musikalisch war es recht fade und blieb nicht im Kopf. Häufiger schienen die Tracks auch einfach aus zu bleiben, so läuft man durch die Gassen Londons ohne Musikalische Untermalung.

Wo die Musik eher schwächelt strahlt das Voice Acting. Jeder einzeln Charakter ist bis ins kleinste Perfekt vertont und gewinnt dadurch eine ganz einzigartige Persönlichkeit.

Besonders Jonathan selbst, gesprochen von Anthony Howell, könnte nicht besser sein.

Seine Stimme alleine war in der Lage mir, in einem Gespräch mit Jonathans Mutter, die Tränen in die Augen zu treiben.

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Aus artistischer Sicht ist es sehr gut, wenn auch kein Meisterwerk doch wer sich Vampyr aufgrund des Gameplay oder der Story holen möchte sollte lieber einen Bogen darum machen.


Als Randbemerkung möchte ich noch eins loswerden.

Auch wenn Vampyr (und eigentlich alle Focus Home Games) kein Meisterwerk ist, bewundere ich dennoch den Mut solche Szenarien aufzugreifen und hoffe (wie bei jedem Focus Game) auf eine Fortsetzung.

Benk

Eine Antwort zu “Vampyr”

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